Notizen aus dem Landesjugendhilfeausschuss, Dezember 2024

 

Liebe Freundinnen und Freunde,                                                

der Landesjugendhilfeausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 26.11.2024 unter anderem mit folgenden Themen:

 

TOP 4. Handreichung sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (Vorlage 15/2584/1)

Diese lesenswerte Broschüre wurde nun auch dem Landesjugendhilfeausschuss zur Kenntnis gegeben. Wie die Verwaltung versicherte, wird sie auch in den kommenden internen Besprechungen weiter behandelt werden.

 

TOP 5. Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (Vorlage 15/2768)

In der letzten Sitzung hatte der Dezernent mitgeteilt, dass mittlerweile ein Referentenentwurf zur Überführung der Eingliederungshilfe im Elementarbereich ins SGB VIII (sogenannte „Große Lösung“) vorläge. Danach favorisiere der Bund wie erwartet das Auslaufen der länderspezifischen Regeln in NRW und Bayern bis zum Jahr 31.12.2030 mit einer Übergangsphase ab dem 1.1.2028. Beide Landschaftsverbände und das MKJFGFI hatten sich demgegenüber frühzeitig für eine unbefristete Länderöffnungsklausel ausgesprochen. Vor dem Hintergrund der zersplitterten Jugendamts-Landschaft in NRW drohe andernfalls der Verlust von Landeseinheitlichkeit bei den Leistungen, der Verlust von Standards und der Verlust von Fachkompetenz in der EGH.

Das Gesetz sollte noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, teilt aber nun wegen des Ampel-Aus wahrscheinlich das Schicksal so mancher Gesetzesvorhaben, indem es zunächst einmal auf Eis liegt (angesichts des Zeitablaufes bis zur angesetzten Neuwahl ist es kaum vorstellbar, dass noch das gesamte Bundestags- und Bundesratsverfahren durchlaufen werden kann)

Vielleicht bietet dieser ungeplante Stopp der Gesetzeseinbringung ja die Chance, zumindest die im Referentenentwurf vorgesehene Übergangszeit zu kippen, damit frühzeitig klare Verhältnisse geschaffen werden und die Landschaftsverbände nicht über drei Jahre hinweg mit einer geschwächten Verhandlungsposition belastet werden. Aber wer weiß, welche Ideen eine neue Bundesregierung zu diesem Thema noch entwickeln wird…

Wir haben an dieser Stelle jedenfalls noch einmal angemerkt, dass wir die Übertragung dieser komplexen Aufgabe auf die 186 – teilweise kleinen – Jugendämter in NRW für problematisch halten und uns wünschen, dass der Gesetzgeber für landeseinheitliche Bedingungen bei der Betreuung von Kindern mit (drohender) Behinderung sorgt.

 Anmerkung: Das Bundeskabinett hat den Entwurf für ein inklusives Kinder- und Jugendhilfegesetz doch noch am 27.11 beschlossen.
Nächster Schritt wäre die erste Befassung des Bundesrates (Stellungnahme-verfahren) nach Art. 76 Abs. 2 GG. Die nächste Sitzung des Bundesrates ist am 20.12.2024. Daran anschließen würde sich dann die Einbringung in den Bundestag und anschließend das Bundesratsverfahren, ggf. mit Anrufung des Vermittlungsausschusses.

 

TOP 6. 10 Jahre Vertrauliche Geburt (Vorlage 15/2729)

Passend, dass in dieser Vorlage der Geburtstag eines Gesetzes gewürdigt wird, dass Geburten ermöglicht. Seit dem 1. Mai 2014 gibt es das Gesetz über die Vertrauliche Geburt, dass schwangeren Frauen in Krisensituationen, die ihre Schwangerschaft geheim halten wollen, die Möglichkeit einer sicheren medizinisch betreuten Geburt verschafft.

Seit Mai 2014 bis Dezember 2023 wurden jährlich bundesweit zwischen 100 und 130 Kinder vertraulich geboren, insgesamt waren es zum Stichtag 1.147 Kinder.

Das Landesjugendamt ist über die Zentrale Adoptionsstelle, Zuschüsse für Beratungsstellen und Familienbildungsstätten, die Fachberatung für Familienunterstützende Leistungen und nicht zuletzt über die Fachberatung für die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in das System von Beratung und anschließender Adoption eingebunden.

Nach Ansicht der Verwaltung hat sich die Vertrauliche Geburt als wichtiger Bestandteil des Schutzsystems für schwangere Frauen in Not etabliert. Wünschenswert wäre, das Angebot noch weiter bekannt zu machen und Zugangshürden abzubauen. Dazu solle der Fokus noch stärker auf entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung und Unterstützung der Beratungsstellen liegen.

 

TOP 7. Aktuelle Entwicklungen in der frühkindlichen Bildung (Power-Point Präsentation)

Die Verwaltung berichtete an dieser Stelle über den Stand des Kita-Qualitätsentwicklungsgesetzes des Bundes, die Weiterentwicklung der Personalverordnung zum KiBiz und den Start des Quik-Modells in Mönchengladbach.

Für die Kommunen besonders interessant sein dürfte aber vor allem das Belastungsausgleichsgesetz Jugendhilfe des Landes sein. Hiermit leistet das Land einen finanziellen Ausgleich für die Kosten der Betreuung von Kindern unter drei Jahren im Rahmen des U3-Ausbaus.Insgesamt etwa eine Milliarde Euro werden damit an die Kommunen verteilt. In der beigefügten Präsentation befindet sich auch ein Link zur Ergänzungsvorlage zum Gesetz, in der eine Übersicht über die Summen, mit denen die einzelnen Kommunen jeweils rechnen können, zu finden ist. 2024-11-26-Aktuelle Entwicklung Frühe Bildung

 

TOP 8.1. Beantwortung der Anfrage zu den Planverfehlungen im Bereich der Assistenzkräfte in den Kitas II.

Zu den unerwartet hohen Zahlen der individuellen heilpädagogischen Leistungen (ihpL) bei der Betreuung von Kindern mit (drohender) Behinderung in Kitas und den dadurch entstehenden Kosten haben wir in jüngster Zeit bereits mehrfach berichtet.

Im Wesentlichen geht es hierbei um vier Fragenkomplexe:

Wieso werden trotz erhöhter Förderung durch das KiBiZ (3,5facher Satz) und die Basisleistung I, die höher ausfällt als die vormalige FINK-Pauschale, nach wie vor so viele ihpL beantragt? Diese Mittel sollten eigentlich bis auf die Fälle eines darüber hinaus gehenden erhöhten Förderbedarfes ausreichen für eine gute Betreuung der Kinder innerhalb der Gruppe.

Wie kann im Zuge angepasster Beratung das gesellschaftliche Ziel erreicht werden, eine tatsächlich inklusive Betreuung der Kinder in den Kita-Gruppen zu realisieren?

Wie kann jedenfalls eine bessere Planungssicherheit für den LVR-Haushalt geschaffen werden, die die tatsächliche Kostenentwicklung für diesen Bereich in der absehbaren Zukunft abbildet?

Und schließlich: Wie kommt es ganz grundsätzlich zu der signifikanten Steigerung der Zahl von Kindern mit (drohender) Behinderung, die in Kitas betreut werden?

Wie aus der Beantwortung der Anfrage hervorgeht, stieg die Zahl der Kinder, für die die Basisleistung I bewilligt wurde, im Gebiet des LVR von 10.607 im Jahr 2022 auf 15.593 in 2024, also um etwa 50 Prozent. Die Gründe für diesen Anstieg können lokal unterschiedlich sein und sind höchstwahrscheinlich vielfältig. Seien es sozial-emotionale Fehlentwicklungen aufgrund der Corona-bedingten Beschränkungen sozialer Kontakte, seien es Folgewirkungen des medizinischen Fortschritts, der mehr sogenannte Frühchen überleben lässt, aber eben mit körperlichen Einschränkungen, seien es aus der Ukraine geflüchtete Kinder mit bestehender körperlicher Behinderung oder durch den Krieg entstandenen Traumata.

Das LVR-Dezernat Kinder, Jugend und Familie /Landesjugendamt ist gemeinsam mit dem LVR-Dezernat Schulen, Inklusionsamt und Soziale Entschädigung bestrebt, durch eine umfassende Studie, die in Bälde in Auftrag gegeben werden soll, hier etwas mehr Klarheit zu schaffen.

Interessant ist auch eine weitere Entwicklung: Betrugen die Kosten pro Fall, der Basisleistung I und ihpL beinhaltete, in 2023 noch 3.825 Euro, sind es in 2024 noch 2.943 Euro. Hieran ist abzulesen, dass die der individuellen Entwicklung eines Kindes angepasste Beratung und Bewilligung von ihpL mittlerweile Wirkung zeigt.

 

TOP 8.2. Beantwortung des Prüfantrags zu den sogenannten Brückenlösungen

In den Jahren 2015/2016 konnten die kommunalen Jugendämter nicht mehr alle nach NRW einreisenden unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten in regulären Einrichtungen der Jugendhilfe betreuen. Um dennoch eine angemessene Betreuung dieser jungen Menschen sicher zu stellen, erlaubte das zuständige Landesministerium die Möglichkeit sogenannter Brückenlösungen. Dies waren bzw. sind Unterbringungsformen ohne Betriebserlaubnis. 2021 wurde die letzte dieser Brückenlösungen geschlossen. Aufgrund der Fluchtbewegungen aus der Ukraine und anderen Ländern wurden aber bereits im Folgejahr wieder sogenannte Brückenlösungen zugelassen. Nun liegen nach einer Erhebung bei allen Jugendämtern in NRW auch detaillierte Angaben zur Zahl dieser Einrichtungen vor.

Das Papier ist zu eurer Information vor Ort diesen „Notizen“ beigefügt. 2024-11-26 Brückenlösungen

 

TOP 8.4. Appell an die Landesregierung zum Thema OGS

Am 6. November 2024 hatte das Landesjugendamt an einer Anhörung zum OGS-Erlass im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend teilgenommen und seine Kritik erneuert. Kritikpunkte sind nach wie vor unter anderem das Fehlen eines Ausführungsgesetzes, fehlende Mittel für den qualitativen Ausbau der OGS und ebenso fehlende konkrete Regelungen zum Kinderschutz (s. Anlage). 2024 November Stellungnahme – LWL – LVR zur OGS

Die Fraktionen von CDU, SPD, GRÜNE, Die Linke und FDP haben diese Kritik aufgegriffen und in einem gemeinsamen Appell die Landesregierung aufgefordert, unter anderem für landeseinheitliche Standards zu sorgen und rechtsverbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen (s. Anlage). 2024-11-26 Appell zum Offenen Ganztag

 

TOP 10. Zentrale Ergebnisse der bundesweiten Online-Befragung zur „Fachkräftesituation in Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“ in Nordrhein-Westfalen (Vorlage 15/2783) und PowerPoint-Präsentation

In dieser Befragung wurden im Sommer 2023 insgesamt 1223 Fachkräfte um ihre Einschätzung zur Fachkräftegewinnung und/oder –bindung gebeten. In diesem Jahr folgte dann eine landesspezifische Auswertung für NRW. In der Evaluation wurde deutlich, dass die Arbeitsbedingungen attraktiver gestaltet werden müssen, um einer möglichen Abwärtsspirale (Personalnot zwingt zur Überlastung der verbleibenden Kräfte, diese fallen in der Folge eher aus oder verlassen den Betrieb usw.) entgegen zu wirken. Dabei sind die möglicherweise hilfreichen Versatzstücke zur Attrak-tivierung des Berufs (Aufhebung von Befristungen, Arbeitszeiten, Aufstiegsmöglich-keiten etc.) ebenso vielfältig wie die Prioritäten der einzelnen Beschäftigten. 2024-11-26-Präsentation Fachkräftesituation in offener JA

 

TOP 12. Berichte aus der Verwaltung

An dieser Stelle informierte die Verwaltung über die geplante Ausweitung des Projekts FITIS. Dieses bisher nur in Aachen laufende Pilotprojekt einer linearen Basisleistung I soll nun auch anderen Kommunen als Modell angeboten werden. Es beinhaltet u.a. eine Platzfinanzierung mit gleicher Stundenzahl pro Kind, unabhängig von der Form der Behinderung, und den Wegfall der Wahlpflicht Zusatzkraft oder Platzreduzierung. Es soll den Trägern mehr Flexibilität und gleichzeitig Planungssicherheit geben, einen Beitrag zur Entbürokratisierung der Abrechnungsverfahren leisten und letzten Endes auch dem LVR als Kostenträger zu Entlastungen verhelfen.

Darüber hinaus konnte die Verwaltung an dieser Stelle leichte Verbesserungen beim Aufwand für die Basisleistung I und die individuellen heilpädagogischen Leistungen vermelden. War zum 30.9. noch von 152,52 Millionen Euro in 2024 für die Basisleistung I auszugehen, waren es zum 31.10. nur noch 151,77 Millionen Euro. Noch stärker ist der Rückgang der Prognose bei den ihpL: Hier sank der prognostizierte Aufwand für das laufende Jahr von 126,54 Mio. Euro Ende September auf 121,45 Mio. Euro Ende Oktober.

 

Alle Vorlagen sind über unsere Geschäftsstelle zu erhalten.

Unsere Kontaktdaten für An- oder Abmeldungen der Notizen, Fragen und Anregungen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland, Landeshaus, Kennedyufer 2, 50679 Köln

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