Notizen aus dem Landesjugendhilfeausschuss

 

Liebe Freundinnen und Freunde,                                                  Oktober 2024

 

beherrschendes Thema der Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses am 26.9.2024 war die Eingliederungshilfe für Kinder mit (drohender) Behinderung, genauer gesagt die „individuellen heilpädagogischen Leistungen“(ihpL) für diese Kinder. Im Gebiet des LVR erhalten derzeit fast 5.000 von insgesamt rund 15.000 Kindern mit (drohender) Behinderung diese Leistung. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 erhielten erst 10.000 Kinder Leistungen der Eingliederungshilfe.

 

Bereits in der Mai-Sitzung hatte der Dezernent von einem Rundschreiben an die Jugend- und Sozialämter (nachrichtlich an die LAG der FW sowie die kSV) zu diesem Thema berichtet. Darin wurden die Kitaträger u.a. aufgefordert, unter Nutzung der Möglichkeiten der PersonalVO zum KiBiz inklusive Strukturen in den Kitas zu schaffen, die es ermöglichen, Kinder mit Behinderung auch ohne individuelle Begleitung durch eine Kita-Assistenz aufzunehmen, wie es der Landesrahmenvertrag auch grundsätzlich vorsieht.

Sowohl aus inhaltich-konzeptionellen wie auch aus finanziellen Gründen sei es erforderlich, die vergleichsweise sehr hohe Zahl an individuellen heilpädagogischen Leistungen (Assistenzleistungen) sehr deutlich zurückzuführen.

Die Basisleistung I sei so konzipiert, dass sie grundsätzlich den erhöhten Bedarf für Kinder mit Behinderung abdecken solle. Die Zusatzleistung „individuelle heilpädagogische Leistung“ sollte ergänzend in den Fällen zum Einsatz kommen, in denen der Bedarf so hoch ist, dass zu der Basisleistung I im Verbund mit der erhöhten KiBiz-Förderung für ein Kind mit Behinderung eine weitere Unterstützung notwendig ist, um die Teilnahme / soziale Teilhabe in einer Kindertagesstätte zu ermöglichen. Die ihpL sind nach dieser Sicht als ergänzende Leistung im Einzelfall mit Ausnahmecharakter zu verstehen. Zur Zeit sind die ihpL allerdings fast eine Regelleistung geworden, da sie von einem Drittel aller Kinder mit Behinderung in einer Regel-Kindertageseinrichtung bezogen wird. Dies entspräche nicht dem Gedanken der Realisierung eines inklusiven Sozialraums.

Das Festhalten mancher Träger an den ihpL hat im Übrigen auch für die Kinder den Nachteil, dass sie bei Ausfall der Assistenzkraft unter Umständen von der Betreuung ausgeschlossen werden, was nicht zulässig ist – wie ebenfalls bereits in der Mai-Sitzung problematisiert – und worauf die Träger in einem Schreiben das LJA hingewiesen wurden.

 

Mit der Thematik der hohen Zahl an individuellen heilpädagogischen Leistungen befasste sich nun auch eine Anfrage von SPD und CDU sowie der Bericht einer Task Force der Verwaltung (Vorlage 15/2581), die gemeinsam in dieser Sitzung des LJHA behandelt wurden.

Aus der Antwort auf die Anfrage aus der Politik und die Untersuchung durch die Verwaltung wird folgendes klar:

Bei der Aufgabenübertragung der Eingliederungshilfe im Elementarbereich vor vier Jahren wurde im LVR entschieden, den Übergang in das neue System der Finanzierung sowie im Wechsel von der kommunalen zur LVR-Zuständigkeit so „weich“ wie möglich für alle Beteiligten, insbesondere für die Kinder, die schon in Kindertagesstätten aufgenommen waren, und ihre Eltern, zu gestalten. Das bedeutete, dass der LVR in die bestehenden Verträge der örtlichen Träger zur Erbringung der Assistenzleistungen eintrat und diese fortführte. Dies in der Erwartung, dass durch den Aufbau der Basisleistung I, die im Landesrahmenvertrag fixiert wurde, und der damit verbundenen Erhöhung der Fachleistungsstunden in den Regelkindergärten die Bewilligungen der individuellen heilpädagogischen Leistungen zurückgehen würden. Die individuelle Assistenz sollte auf den besonderen Einzelfall beschränkt bleiben. Die tatsächliche Entwicklung zeigte allerdings das Gegenteil. Sowohl die Anzahl der Kinder, denen diese Leistung bewilligt wurde, stieg, als auch die Stundenzahl je Leistungssatz.

Dies wiederum führt zunehmend zu einer starken Belastung des LVR-Haushalts, was bereits jetzt auf Kürzungen in anderen Tätigkeitsfeldern des LVR hinausläuft.

Im Bericht der Task Force heißt es dazu: „Der Einsatz von ihpL muss in Zukunft eine Ausnahme im Sinne des Landesrahmenvertrages bleiben und passgenau auf die Bedarfe des jeweiligen Kindes zugeschnitten sein.“ Überkompensationen sollen vermieden werden, heißt es anderer Stelle weiter.

Bereits jetzt versucht das Fallmanagement vor Ort, das über die Anträge auf ihpL entscheiden muss, diesen Vorgaben nachzukommen.  

Da diese den Rahmenbestimmungen angepasste Bewilligung der Hilfeleistungen sicherlich erst mittelfristig seine Wirkung entfalten wird, hat die Task Force den Beteiligten auf den Weg gegeben, dass künftig Fachcontrolling und Finanzcontrolling enger zusammenarbeiten sollen, damit jedenfalls die Haushaltsplanung für diesen Bereich in den kommenden Jahren auf sichereren Füßen steht. Erste entsprechende Maßnahmen sind bereits ergriffen worden.

 

Der LJHA befasste sich auch noch mit folgenden Themen:

 

TOP 5. Zweiter Monitoring-Bericht zur Vorlage „Grundsätze des Gewaltschutzes im LVR“ (Vorlage 15/235/1)

Vor genau drei Jahren hat der LVR die übergreifende Vorlage „Grundsätze des Gewaltschutzes“ vorgelegt. Nachdem dieses Grundsatzpapier beschlossen wurde, geht es nun Schritt für Schritt um die Umsetzung in den einzelnen Dezernaten und Einrichtungen. Viele einrichtungsbezogene Gewaltschutzkonzepte sollen im Laufe dieses Jahres fertig gestellt sein. Der LVR ist in der „work in progress“ – Phase, wie es in der Vorlage heißt.  

 

TOP 8. Arbeitshilfe Reform des Adoptionsrechts (Vorlage 15/2502)

Mit dem Adoptionshilfegesetz wurde vor drei Jahren das Adoptionswesen in Deutschland umfassend reformiert. Die damit verbundenen Gesetzesänderungen führen zu einem deutlich erweiterten Aufgabenkatalog der Adoptionsvermittlungs-stellen mit den entsprechenden Folgen für den Arbeitsaufwand der Beschäftigten.

Um die Aufgabenwahrnehmung und Personalbemessung bei den örtlichen Jugendämtern zu unterstützen, haben LVR, LWL und sechs kommunale Jugendämter in einem Workshop-Verfahren eine Arbeitshilfe für diesen Tätigkeitsbereich entwickelt.

 

TOP 9. Neuauflage der Broschüre Adoption – Ein Überblick für Interessierte (Vorlage 15/2503)

Folge der Gesetzesänderung im Adoptionsrecht ist auch die entsprechend aktualisierte Neuauflage der Broschüre Adoption. Diese wird von den Adoptionsstellen in NRW bei der Erstinformation den interessierten Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung gestellt.

 

TOP 10. Arbeitshilfe inklusiver Kinderschutz in Kindertageseinrichtungen (Vorlage 15/2524) und Power-Point-Vortrag in der Anlage zu diesen Notizen

Auch in diesem Fall machten Gesetzesentwicklungen eine Neuauflage einer Arbeitshilfe nötig. Das in 2019 zuerst herausgegebene Papier musste überarbeitet werden, da zwischenzeitlich das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz und das Landeskinderschutzgesetz NRW in Kraft traten. Wir halten auch diese Arbeitshilfe für eine gute direkte Handlungsunterstützung in der Praxis. Wie üblich sollte auch diese Arbeitshilfe den örtlichen Jugendhilfeausschüssen zur Kenntnis gegeben werden. 2024-09-26-Arbeitshilfe_Inklusiver_Kinderschutz_Neu

 

TOP 12. Aktuelle Entwicklungen in der frühkindlichen Bildung

Die Verwaltung informierte an dieser Stelle darüber, dass die Neufassung des KiBiz zum 1. August 2026 in Kraft treten soll; ein Referentenentwurf läge allerdings noch nicht vor.

Auf Bundesebene gab es im August den Kabinettsbeschluss zum „Dritten Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung“. Die 1. Lesung im Bundestag fand am 23.9. statt. In Kraft treten soll das Gesetz dann zum 1.1.2025. Damit würden die Länder auch in den kommenden zwei Jahren mit insgesamt rund 4 Milliarden Euro im Kita-Bereich unterstützt. Investiert werden kann das Geld in sieben prioritäre Handlungsfelder, wie z.B. den Fachkraft-Kind-Schlüssel oder die Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte.

 

TOP 14. LVR-Beteiligung an den Gedenkveranstaltungen in Sant Anna di Stazzema und Maillè im Rahmen des Programms „Jugend gestaltet Zukunft – Internationale Jugendbegegnungen an Orten der Erinnerung in Europa“

„Geschichte wiederholt sich“ ist ein landläufiger Spruch, der zwar im streng wissenschaftlichen Sinn nicht haltbar ist, aber doch einen insofern wahren Kern hat, als er auf die immer wiederkehrende Unterdrückung und Verfolgung von Menschen durch andere Menschen hinweist.

„Geschichte darf sich nicht wiederholen“ ist daher auch der Kernsatz aller Beschäftigung mit dem Faschismus in seinen verschiedenen Facetten.

Der Landesjugendhilfeausschuss hat sich daher in der Vergangenheit immer für die Verstetigung des Programms der internationalen Jugendbegegnungen an Orten der Erinnerung in Europa eingesetzt und zuletzt auch dessen Ausweitung beschlossen.

Für uns als BündnisGrüne im LVR hat dabei Sant Anna di Stazzema insofern noch eine besondere Bedeutung, da wir diesen Ort im Rahmen einer Fraktionsreise 2009 besuchten und beeindruckende Gespräche mit den Zeitzeugen des Massakers am 12. August 1944 führen konnten. Die Nazis führten damals Vergeltungsmaßnahmen gegen die einheimische Bevölkerung durch, um den italienischen Widerstand zu schwächen und ermordeten in Sant Anna 560 Menschen.

Die Teilnehmenden aus Politik und Verwaltung an den diesjährigen Veranstaltungen zum 80-jährigen Gedenken an die Massaker in Sant Anna di Stazzema und Maillè konnten wie wir damals von beeindruckenden Begegnungen berichten.

Zum Programm „Jugend gestaltet Zukunft“ wird es im Übrigen am 7. und 8. Mai 2025 in Köln und in der Abtei Brauweiler eine große Trägerkonferenz geben, zu der auch möglichst viele Jugendliche eingeladen werden sollen.

 

TOP 15 Bericht aus der Verwaltung

Der Dezernent teilte mit, dass mittlerweile ein Referentenentwurf zur Überführung der Eingliederungshilfe im Elementarbereich ins SGB VIII (sogenannte „Große Lösung“) vorliegt. Danach favorisiert der Bund wie erwartet das Auslaufen der länderspezifischen Regeln in NRW und Bayern bis zum Jahr 2030 mit einer Übergangsphase ab 2028. Beide Landschaftsverbände und das MKJFGFI haben sich frühzeitig für eine unbefristete Länderöffnungsklausel ausgesprochen. Vor dem Hintergrund der zersplitterten JA-Landschaft in NRW drohen andernfalls der Verlust von Landeseinheitlichkeit bei den Leistungen, der Verlust von Standards und der Verlust von Fachkompetenz in der EGH. Diese vorgesehene befristete Übergangsregelung wird von den Landschaftsverbänden entschieden abgelehnt, da hierdurch zum einen ein Zuständigkeitswirrwarr entstehe, die Landschaftsverbände gegenüber ihren privaten und öffentlichen (politischen) Verhandlungspartnern in diesem Bereich nachhaltig geschwächt würden und hohe personelle Fluktuationen mit den entsprechenden Folgen zu erwarten seien. Daher sei eine Übergangszeit so kurz wie möglich zu halten, d.h. die Übertragung der Aufgabe, wie im Gesetz vorgesehen, bereits zum 01.01.2028 zu vollziehen.

Das Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.

 

Schließlich informierte die Verwaltung auch über den aktuellen Stand beim geplanten Ausbau der OGS. Der Erlass von MKJFGFI und MSB vom 2.7.2024 beinhaltet im Kern die bereits im März veröffentlichten und vielfach kritisierten „Fachlichen Grundlagen“. Kritikpunkte sind nach wie vor unter anderem das Fehlen eines Ausführungsgesetzes, fehlende Mittel für den qualitativen Ausbau der OGS und ebenso fehlende konkrete Regelungen zum Kinderschutz. (s. Anlage) 2024-09-26-Bericht der Verwaltung OGS

Am 6. November 2024 wird das Landesjugendamt an einer Anhörung zum OGS-Erlass im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend teilnehmen.

 

Alle Vorlagen sind über unsere Geschäftsstelle zu erhalten.

Unsere Kontaktdaten für An- oder Abmeldungen der Notizen, Fragen und Anregungen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland, Landeshaus, Kennedyufer 2, 50679 Köln

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