Notizen aus dem Landesjugendhilfeausschuss

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

eine kleine Anmerkung vorab: Der Bericht aus der Sitzung des Landesjugend-hilfeausschusses am 25. November beginnt diesmal erst ab TOP 8, da zuvor nicht-öffentliche Tagesordnungspunkte diskutiert wurden. Diese Änderung der gewohnten Tagungsweise soll auch künftig Bestand haben.

In öffentlicher Sitzung tagte der LJHA unter anderem zu folgenden Themen:

TOP 9
Haushalt

TOP 9.1
Haushaltsanträge

TOP 9.1.1
Begleitbeschluss zum Doppelhaushalt 2022/2023 der Fraktionen CDU und SPD (Antrag 15/37)

Im Rahmen ihres sogenannten Begleitbeschlusses haben die Fraktionen von CDU und SPD auch einige Initiativen vorgeschlagen, die den Bereich des Landesjugendhilfeausschusses betreffen und vorgestellt wurden. Danach sollen die Mittel für die Projektförderung um 100.000 Euro erhöht werden; Stellen- und Budgetanpassungen im Bereich des Landesjugendamtes sind ebenso geplant wie Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die Einrichtung von Facharbeitskreisen zu den Themen Personalgewinnung und Offene Ganztagsschule.

Wir haben betont, dass wir uns verschiedenen Ideen grundsätzlich anschließen können, aber nicht an der Abstimmung zu diesem Antrag teilnehmen werden, da der Begleitbeschluss einige Ausschüsse des LVR erst als Tischvorlage erreichte und unsere Fraktion im Ganzen ihn daher bis zur Sitzung des LJHA nicht ausreichend beraten konnte.

Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU und SPD angenommen.

TOP 9.1.2
Haushaltsantrag unserer Fraktion zum Thema Gewaltschutz (Antrag 15/28)

Wie in der letzten Ausgabe der „Notizen“ berichtet, hat die Verwaltung des LVR mit der Vorlage 15/300 „Grundsätze des Gewaltschutzes im LVR“ vorgelegt.

An allen relevanten Stellen im LVR sollen Vorkehrungen zum Gewaltschutz getroffen werden, die unter Umständen auch über gesetzliche Anforderungen hinausgehen. In allen Einrichtungen und Diensten, in denen der LVR selbst Leistungen für Kinder und Jugendliche oder Leistungen für erwachsene Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen erbringt, wird das Vorliegen eines institutionellen Gewaltschutzkonzeptes obligatorisch. Da, wo der LVR nicht selbst Leistungen erbringt, will er im Rahmen seiner – gesetzlichen – Möglichkeiten darauf hinwirken, dass Gewaltschutzkonzepte oder zumindest geeignete Präventionsmaßnahmen ergriffen werden.

Wir haben in unserem Antrag nun die Verwaltung aufgefordert, die aus dieser Vorlage folgenden nächsten konkreten Handlungsschritte in den verschiedenen Einrichtungen des LVR darzustellen und dabei auch zu erläutern, wie Gewaltschutzkonzepte in denjenigen Einrichtungen implementiert und überprüft werden können, bei denen der LVR nicht unmittelbar Leistungserbringer ist.

Unser Antrag wurde bei drei Ja-Stimmen unserer Fraktion mit sieben Nein-Stimmen aus den Fraktionen von CDU und SPD und fünf Enthaltungen abgelehnt.

TOP 9.3
Haushalt 2022/2023; Zuständigkeiten des Landesjugendhilfe-ausschusses (Vorlage 15/495/1)

LVR-Jugenddezernent Lorenz Bahr hatte bereits in der letzten Sitzung des LJHA die Eckdaten des Haushaltsplanentwurfs für sein Dezernat vorgestellt.

Der Haushaltsplanentwurf, die Zuständigkeiten des Landesjugendhilfeausschusses betreffend, wurde mehrheitlich wie vorgelegt beschlossen.

Wir haben an der Abstimmung nicht teilgenommen, da wir erst eine Gesamtbewertung des Haushaltsentwurfs vornehmen wollen und uns bei der kommenden Sitzung des Finanzausschusses dann positionieren werden.

TOP 10
Fachkraftangebot und Personalbedarf in der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Eingliederungshilfe (Vorlage 15/646)

Die Kinder- und Jugendhilfe steht vor der großen Herausforderung eines anhaltend hohen Fachkräftebedarfs. Einerseits hat aktuell die Corona-Pandemie zusätzliche Bedarfe bei jungen Menschen und ihren Familien hervorgerufen, andererseits wirken sich der kontinuierliche Ausbau der Kindertagesbetreuung, der 2026 kommende Rechtsanspruch auf den Ganztag für Kinder im Grundschulalter, das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sowie neue Leistungstatbestände dauerhaft auf die Personallage bei den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe aus.

Laut Fachkräftebarometer des Deutschen Jugendinstituts werden bis 2030 „in der westdeutschen Kindertagesbetreuung bis zu 250.000 Personen benötigt werden, um zum einen ein bedarfsdeckendes Angebot zu sichern und zum anderen personelle Ausstiege zu kompensieren“ (DJI 2021, 163).

Die Landesjugendämter haben die Aufgabe, im Rahmen des Betriebserlaubnis-verfahrens zu prüfen, ob bei den Kitas die personellen Mindestvoraussetzungen vorliegen. Während des Betriebs sind die Kitas meldepflichtig, wenn die entsprechende personelle Ausstattung nicht eingehalten werden kann. Zur Unterstützung der Träger haben die Landesjugendämter eine Aufsichtsrechtliche Grundlage zum Umgang mit personellen Unterbesetzungen erarbeitet (wir haben darüber in den „Notizen“ berichtet).

Nun zeigt sich aktuell, dass sowohl die Zahl der Meldungen über die Unterschreitung der personellen Mindestausstattung zunimmt als auch die Dauer dieses Zustands. Die Beratungsanfragen zu der Thematik nehmen ebenfalls rapide zu und verdeutlichen den Druck, unter dem die Akteure vor Ort stehen.

LVR, Land, Hochschulen und Berufskollegs versuchen, durch Ausbau von Ausbildungsgängen und neue Formen der Qualifizierung dringend benötigtes Personal zu gewinnen.

Das Landesjugendamt fordert kurz- und mittelfristig weitere umfangreiche Maßnahmen, um dem derzeitigen und noch drohenden Personalmangel zu begegnen.

  • So sollen die Ausbildungskapazitäten an staatlichen (Fach-) Hochschulen weiter ausgebaut werden, wobei der Fokus auf generalistischen Abschlüssen liegen soll. Auch die Studiengänge Lehramt an Berufskollegs im Bereich Soziales sollen an weiteren Hochschulen eingerichtet werden, um die Kapazitäten an Lehrkräften in der Erzieher*innenausbildung zu steigern.
  • Erfahrenen Ergänzungskräften in Kitas (wie Kinderpfleger*innen), soll die Möglichkeit gegeben werden, durch eine berufsgleitende Weiterbildung zum/zur ErzieherIn anteilig als Fachkraft eingesetzt werden zu können.
  • Die Umschulung von Seiteneinsteiger*innen, wie aktuell in der Qualifizierungs-offensive des Landes praktiziert, muss verstetigt werden.
  • Des Weiteren sollen Personen mit ausländischer Qualifikation durch vereinfachte Verfahren, die dennoch die fachlichen Standards wahren, schneller die Anerkennung ihrer Abschlüsse erlangen.
  • Schlussendlich wird gefordert, dass die Attraktivität der Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe gesteigert werden muss, damit mehr junge Menschen diesen Beruf ergreifen.

Da die Kinder- und Jugendhilfe nicht der einzige Bereich ist in dem weiten Feld der sozialen Dienstleistungen, in dem kurz- und längerfristig mehr Arbeitskräfte benötigt werden, können sich Menschen, die gerne direkt für und mit anderen Menschen arbeiten, schon jetzt ihre Jobs fast nach Belieben aussuchen. Das ist schön für sie und zuweilen anstrengend für ihre Arbeitgeber. Ausschussmitglieder berichteten dazu, dass es bereits zu Abwerbungen zwischen den einzelnen Trägern komme.

Jugenddezernent Bahr berichtete in Ergänzung der Vorlage, dass bereits auf verschiedenen Ebenen Gespräche geführt worden seien, um an einzelnen Stellschrauben zu drehen, die die Personalnot lindern könnten. So sei z.B. bislang die Kooperation von Hochschulen einerseits und Trägern Sozialer Arbeit andererseits noch längst nicht so ausgeprägt, wie dies etwa im technischen Bereich sei. Viele Hochschulen würde eine entsprechende Intensivierung der Zusammenarbeit begrüßen.

Wir haben an dieser Stelle betont, dass wir das Fachkräfte-Prinzip erhalten wollen. Die Möglichkeiten des Quereinstiegs in den Beruf sollten weiterentwickelt werden und die Berufskollegs für die sozialpädagogische Ausbildung ausgebaut. Außerdem sollten gezielt Menschen nach der Familienphase wegen eines beruflichen (Wieder-) Einstiegs angesprochen werden.

TOP 12
Landeskinderschutzgesetz (Vorlage 15/697)

Am 9. November hat das Landeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Kindeswohls (Kinderschutzgesetz) und eines Gesetzes zur Änderung des Kinderbildungsgesetzes beschlossen.

Das Gesetz soll überwiegend am 1. Mai 2022 in Kraft treten; die Änderungen im KiBiz am 1. August 2022 und die Regelungen zur Qualitätsentwicklung am 1. Juli 2023.

Die in den vergangenen Jahren bekannt gewordenen Fälle (Lügde, Bergisch Gladbach, Münster) der vielfachen und oft systematischen sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche haben auf allen Ebenen eine gesteigerte Sensibilität für dieses Thema hervorgerufen. So hat die Landesregierung ein Handlungs- und Maßnahmenpapier gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche veröffentlicht. Die in dieser Wahlperiode begründete Kinderschutzkommission soll ihre Arbeit auch in der kommenden Wahlperiode fortsetzen.

Das nun vom Kabinett beschlossene Kinderschutzgesetz soll die Arbeit der Jugendämter in NRW unterstützen und qualitativ ausbauen.

Unter anderem sollen die Empfehlungen der Landesjugendämter in Verfahren zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdungen eine noch höhere Verbindlichkeit erlangen. Die Landesjugendämter werden zugleich verpflichtet, die bestehenden fachlichen Empfehlungen kontinuierlich zu überprüfen und bei Bedarf weiter zu entwickeln.

Weiter ist vorgesehen, dass die Jugendämter Netzwerke zur interdisziplinären Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährdung bilden sollen. Jedes Jugendamt unterhält dann eine Koordinierungsstelle für das so zu bildenden Netzwerk Kinderschutz.

Die Landesjugendämter sollen aufgrund der Erfahrungen aus dem Fall Lügde auch für Kinder und Jugendliche in Pflegeverhältnissen Empfehlungen zur Sicherung der Rechte der Kinder und Jugendlichen erarbeiten und weiterentwickeln.

Für betriebserlaubnispflichtige Einrichtungen ist bereits mit dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes ein Gewaltschutzkonzept verpflichtend. Träger von Einrichtungen und Angeboten nach dem Kinder- und Jugendförderungsgesetzes sollen darauf hinwirken, dass dort ebenfalls Schutzkonzepte gegen Gewalt an Kindern und Jugendlichen entwickelt werden.

Wir haben betont, dass wir uns freuen, dass es zu diesem Gesetz gekommen ist und dass das Thema Kinderschutz damit auch noch stärker in den Kommunen verankert werden wird.

TOP 16
Förderung von Selbsthilfegruppen ehemaliger Heimkinder (Vorlage 15/658)

Letztes Jahr hat der LVR unter der Überschrift „Ehemalige Heimkinder stärken – Förderung von Selbsthilfeprojekten“ eine Initiative zur Unterstützung von Selbsthilfegruppen ehemaliger Heimkinder und Menschen, die als Kinder und Jugendliche in Psychiatrien oder Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe Leid und Unrecht erlitten haben, gestartet. Drei Selbsthilfegruppen wurden bislang mit über insgesamt über 100.000 Euro in ihren Aktivitäten unterstützt. Der Aufbau nachhaltiger Strukturen, die eine große Zahl von Betroffenen nutzen kann, wurde damit gefördert. Der vorgesehene Fördertopf von 600.000 für das Projekt, das eigentlich nur bis 2022 geführt werden sollte, wird bis dahin aber sicherlich nicht erschöpft sein, so dass durchaus an eine Verlängerung dieser begrüßenswerten Initiative gedacht werden kann.

Die in den Projekten der Betroffenen zum Ausdruck kommende positive Hartnäckigkeit finden wir beeindruckend.

TOP 17
Sozialräumliche Erprobung integrierter Beratung (SEIB): Die Fachberatung „Kinderrechte“ im Dezernat Kinder, Jugend und Familie

Im Rahmen des dezernatsübergreifenden LVR-Projektes SEIB wurden 2019 auch im Dezernat 4 zwei neuer Fachberatungsstellen eingerichtet. Im Mittelpunkt der Aktivitäten stand der Ansatz des LVR, Kinderrechte als Richtschnur des Handels sowohl verbandsintern als auch extern zu verankern. Dazu gehört insbesondere die Aufgabe, für die Beteiligungsrechte von jungen Menschen bei Entscheidungen, die sie betreffen, einzutreten. Durch die Vernetzung mit den anderen Dezernaten innerhalb des Projektes konnte auch dort verstärkt dafür geworben werden, die Kinderrechte-Perspektive bei den Einrichtungen und Angeboten des LVR deutlicher in den Blickpunkt zu nehmen. Gewachsen ist zudem in dieser Erprobungsphase von SEIB auch das Angebotsportfolio im Spektrum „Kinderrechte“. Beide Entwicklungen begrüßen wir sehr. Um die erfolgreiche Arbeit der letzten knapp zwei Jahre verstetigen zu können, wäre es sinnvoll, die beiden Fachberatungsstellen beibehalten zu können.

Im nächsten Jahr wird es einen Gesamtbericht zu dem Projekt geben, dann muss die Politik entscheiden, wie es mit Projekt und Stellen weitergeht.