Reise des Landesjugendhilfeausschusses nach Rheinland-Pfalz vom 24. bis 26.06.2024
Bericht: Karin Schmitt-Promny
Ende Juni führte eine Informationsreise des LJHA nach Rheinland-Pfalz, um Fragen der Kinder- und Jugendpolitik zu erörtern und dort durchgeführte Maßnahmen kennenzulernen.
Die erste Begegnung fand mit dem Landesjugendhilfeausschuss des Landes Rheinland-Pfalz statt, der in diesem Bundesland auf Landesebene eingesetzt ist. Der Vorsitzende Albrecht Bähr und unsere Vorsitzende Ursula Holtmann-Schnieder stellten wechselseitig die Ausschüsse und deren Aufgaben vor. Unsere Vorsitzende beantwortete zudem Fragen aus dem Kreis der Abgeordneten.
Dieser Begegnung folgte eine Führung durch den Landtag Rheinland-Pfalz. Neben der Historie und Architektur beeindruckten dabei Informationen zum Thema Demokratie und Demokratieerziehung. So werden mit einen teilhabeorientierten Ansatz Kinder und Jugendliche zum Beispiel in einem Planspiel mit den Elementen der politischen Arbeit in Landtag und in anderen politischen Institutionen vertraut gemacht.
Am Nachmittag folgten in zwei Gruppen ein Besuch des Bildungsministeriums und des Landesjugendamtes.
In meiner Gruppe im Ministerium stand die Frage der Fachkräftesicherung im Vordergrund. In Rheinland-Pfalz geht die Personalfinanzierung von einem Bevorratungssystem aus, das heißt, die Refinanzierung der Kosten erfolgt nach dem Plan der Stellen, nicht nach der tatsächlich eingetretenen Besetzung. In der Zusammenstellung der Teams geht man von multiprofessionellen Teams aus, 70%, pädagogische Fachkräfte, 30%, pädagogische Fachkräfte in Assistenz (Kinderpfleger*innen, Sozialassistent*innen). Dazu kommen profilergänzende Fachkräfte.
Eine berufsbegleitende Ausbildung wird über eine halbe Stelle in der Kindertagesstätte beim Träger der Einrichtung und über eine halbe Stelle für die Ausbildung angesetzt. Eine Ausbildungsstelle kommt im Personaltableau des jeweiligen Trägers hinzu.
Die Inklusion von Kindern mit Behinderung ist auch in den Kitas in Rheinland-Pfalz ein angestrebtes Ziel. Auch dort unterstützt man die Bündelung von Einzelfallhilfen in Form von Pool-Ansätzen.
Der dritte Schwerpunkt der Diskussion lag auf dem Thema Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in einer Offenen Ganztagsschule. Rheinland-Pfalz hat die OGS im Bereich der Schule zugeordnet, auch mit Unterstützung aus dem Bereich der Jugendhilfe. Dabei werden verschiedene Modelle des Ganztags an Schulen durchgeführt.
Der zweite Tag der Reise war geprägt vom Kontakt mit der Praxis am Beispiel der Stadt Pirmasens. Pirmasens ist eine Stadt, die einen industriellen Strukturwandel durchlaufen musste und von daher mit einer hohen Zahl von sozialen Problemen zu kämpfen hatte.
In der Vorstellung der Entwicklung der Stadt haben wir den hochmotivierten Oberbürgermeister Markus Zwick und ein sehr engagiertes Team kennengelernt, sowohl in der Verwaltung als auch bei den Besuchen einer Kita und eines Quartiermanagements. Bildung wird für die Weiterentwicklung der Stadt als ein wesentlicher Schwerpunkt gesehen. Dabei ist der Blick ressourcenorientiert auf die Stärken der Menschen gerichtet, nicht auf die Defizite.
Die Stadt hat einen „Pakt für Pirmasens“ mit der Stadtgesellschaft geschlossen, mit Institutionen, Verbänden und Vereinen. Dabei spielen familienzentrierte Ansätze eine wesentliche Rolle.
In den sozialen Projekten ist es sowohl in der Arbeit mit arbeitslosen Menschen wie auch in der mit Geflüchteten so, dass von vornherein tagesstrukturierende Maßnahmen zu ergreifen sind, über die eine Hinführung zu Arbeit und / oder Ausbildung erfolgen soll.
Uns interessierte insbesondere, wie man in Pirmasens die Herausforderung der Aufgabenstellung „Große Lösung“ zwischen Jugendhilfe und Eingliederungshilfe angeht. Die Stadt wollte nicht auf eine politische Lösung aus Berlin warten, sondern ging die Fragestellung ganz pragmatisch an. Unter der Federführung des Jugendamtes bringt man die Daten der vorhandenen Kinder und Familien zur Bearbeitung zusammen und setzt auf die aktive Begleitung der Familien auf ihrem Weg in Kita und in Schule. Hilfreich ist dabei die Einführung von Kita- und Schulsozialarbeit im Personaltableau der Einrichtungen.
Pirmasens sieht sich mit seiner Sozial- und Jugendpolitik als Innovationslabor und geht damit in der Entwicklung sozialer Infrastruktur voraus. Insbesondere gilt dies für die Transformationsprozesse in der Kinder- und Jugendhilfe. Das Jugendamt fungiert als Transformationsagentur und das unter den erschwerten Bedingungen des Fachkräftemangels.
Beim Besuch einer großen Kindertagesstätte konnten wir die Realisation dieser Ansätze kennenlernen. Insbesondere das Zusammenspiel der unterstützenden Leistung der Kita-Sozialarbeit in der Begleitung der Familie wurde positiv hervorgehoben. Des Weiteren wurde uns die Arbeit einer interkulturellen Fachkraft vorgestellt. In einer Einrichtung, in der Kinder verschiedener Herkunftsfamilien zusammenkommen, geht es darum, Gemeinsames und Verschiedensein zu erfahren und zu achten.
Gemeinsam mit der aktivierenden Arbeit der jeweiligen Abteilungen der Verwaltung stehen bürgerschaftliche Aktivitäten hoch im Kurs, von der Krabbelgruppe bis zur Seniorengruppe. Dass dies geht, haben wir in einem beeindruckenden Projekt des Quartiersmanagements kennengelernt.
Das Zentrum PS:patio ist für verschiedenste Angebote ausgestattet. Das Zentrum wird von zwei hoch engagierten Sozialarbeiterinnen geleitet, die mit ihrem Enthusiasmus im Quartier sehr gut angenommen sind. Mit ihrer direkten Ansprache der Bewohner*innen, ihren Angeboten von Kochen, kreativer Gestaltung bis hin zu regelmäßigen Gruppentreffs und Diskussionsrunden oder auch gemeinsamen Film- und Fernsehabenden, z.B. zu einem Fußballspiel, bieten sie vielfältige Möglichkeiten der Teilhabe. Die beiden reagieren auf Fragestellungen, die Ihnen zugetragen werden, ebenso unterstützen sie Eigeninitiativen. Ein eigener Raum steht den Anwohner*innen für Nachbarschaftsaktivitäten zur Verfügung, zu dem die Gruppen eigenständig Zugang haben.
Wir haben uns beim Besuch der Institutionen und bei unseren Gesprächen in Pirmasens davon überzeugen können, dass die Verantwortlichen in ihren verschiedenen Positionen es als eine der Hauptaufgaben sehen, gute Perspektiven für Kinder und Familien zu entwickeln.
Unser dritter Besuchstag stand im Zeichen der Wissenschaft und der akademischen Ausbildung. Wir besuchten das Zentrum für Fernstudien im Hochschulverband (ZFH ) an der Hochschule Koblenz. Im Hochschulverband haben sich Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland zusammengeschlossen, um die Möglichkeiten des Fernstudiums zu koordinieren. In Zeiten des Fachkräftemangels bietet die Möglichkeit eines Fernstudiums die Chance, mehr Menschen für die Ausbildung und die Arbeit im sozialen Bereich zu gewinnen. Für unsere Reisegruppe waren die Informationen über die Fernstudien von Interesse, weil wir für die Ausbildung für den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) wie auch für den Bereich der Kindertagesstätten diesen Ansatz auch für Nordrhein-Westfalen für wünschenswert halten, weil wir auch hier vor der gleichen Anforderung stehen.
Gleiches gilt für die Dualen Studiengänge der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit. Auf der Basis eines Kooperationsvertrages mit einem Einrichtungsträger werden in Rheinland-Pfalz Duale Studiengänge ermöglicht. Diese sehen im Laufe des Studiums 600 Praxisstunden vor. Wichtig ist, dass diese Praxiszeiten für einen Einrichtungsträger nicht auf das Stellenkontingent angerechnet werden.
Leider konnte ich am abschließenden Kontakt zur Professur „Kinder- und Jugendhilfe mit Schwerpunkt Kinderschutz“ nicht mehr teilnehmen, da ich zu einer Ratssitzung in Aachen vorzeitig zurückfahren musste.
Abschließend kann ich feststellen, dass diese Reise des Landesjugendhilfeausschusses uns spannende Begegnungen ermöglichte, die uns eine Vielzahl von Anregungen für unsere Arbeit in Nordrhein-Westfalen boten und in denen wir mit unseren Gesprächspartner*innen gut die eigene Praxis reflektieren konnten.