Haushaltsrede Dr. Ruth Seidl

– es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrte Frau Vorsitzende Henk-Hollstein,

sehr geehrte Frau Landesdirektorin Lubek,

sehr geehrte Landesrätinnen und Landesräte,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Grüne Fraktion hat im Vorfeld der Haushaltsentscheidung alles, was für oder gegen den Haushalt spricht, sorgfältig abgewogen. Und es gibt sowohl Positives als auch Kritisches, was in die Waagschale gelegt werden kann.

Deshalb hätten wir uns heute durchaus enthalten können.

Aber wir waren uns einig, dass bei wichtigen Entscheidungen und in Zeiten großer Verunsicherung Unentschiedenheit eher ein schwaches Signal ist. Insofern halten wir es mit der Bergpredigt, frei nach Matthäus Kap. 5,37: „Wer Wichtiges zu sagen hat, der soll ein klares Ja oder Nein sagen. Alles andere ist von Übel.“

Aber lassen Sie mich mit den aus unserer Sicht kritischen Punkten beginnen:

Zurecht haben die Mitgliedskommunen die massiven Stellenaufwüchse im Haushalt kritisiert. Mit einem Plus von 413 erhöht der LVR seine Stellen in der Zentralverwaltung um weit mehr als 10 %.

Lieber Herr Limbach, das sind mehr neue Stellen als die gesamte Stadtverwaltung Wesseling einschließlich des Sozial- und Erziehungsdienstes zur Verfügung hat. Verglichen mit dem LWL, der 91 neue Stellen ausweist, sind das viereinhalbmal so viel. Das bedeutet mehr als 30 Millionen Euro zusätzliche Personalkosten, die von den Mitgliedskommunen bezahlt werden müssen.

Fragen Sie mal nach wie das bei den Kommunen ankommt!

Fraglich ist ja auch, ob diese Stellen denn überhaupt besetzt werden können. Aus unserer Sicht wäre die erste Herausforderung, dafür zu sorgen, dass die bereits vorhandenen Stellen besetzt werden, bevor wir in dieser Dimension neue Stellen schaffen.

Und wenn ich mir die konkreten Stellenmehrungen anschaue, dann zweifle ich schon sehr an deren Sinnhaftigkeit. Bei den 25 neuen Stellen im Dezernat für Digitalisierung und Mobilität wird als Begründung einfach nur „Aufbau eines Dezernats“ genannt. Das verdeutlicht doch klar das dahinterstehende Motiv und sagt nichts über die Notwendigkeit der Stellen.

Und ich frage mich weiter, was im Himmel denn die zusätzlichen neun Stellen „Channel Owner“ im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit machen sollen? Bei allem Verständnis dafür, dass der LVR ein neues Öffentlichkeitskonzept braucht – was wir ja auch richtig finden: Aber wäre eine Neukonzeption nicht auch mit schlankeren Strukturen möglich?

Wir sind, ehrlich gesagt, außerordentlich skeptisch.

Und wir teilen auch nicht die Auffassung, dass jetzt im Dezernat für Umwelt und Gebäudemanagement ein weiterer Fachbereich samt Abteilungs- und Teamleitung eingerichtet werden muss.

Das sind einfach zu viele Häuptlinge, meine Damen und Herren!

Der 2. Punkt, den wir kritisieren, ist der anvisierte Zeitplan für die Treibhausgasneutralität. Keine Frage, Wir begrüßen den Aufschlag von Herrn Althoff, mit definierten Schritten eine Treibhausgasminderung zu erreichen. Da steckt ein ordentliches Stück Arbeit drin und sicher auch sehr viel Herzblut.

Allerdings erscheint uns die Zeitplanung bis zum Jahre 2045 nicht ambitioniert genug. Die Folgen des Klimawandels sind weltweit sichtbar und spürbar und das Zeitfenster zu handeln, verkleinert sich von Tag zu Tag. Das ist wie eine tickende Uhr. Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, bedarf es weltweit einer klaren Kurskorrektur. Das sehen nicht nur wir Grüne im LVR so, dass sehen auch viele Kommunen im Rheinland, die sich engagiertere Zielvorgaben gesetzt haben. Dazu gehören die Städte Köln, Düsseldorf, Krefeld, Wuppertal, Aachen oder Bonn.

Und alle die dabei waren, erinnern sich sicherlich an die beeindruckende Reise des Umweltausschusses nach Freiburg im vergangenen Frühjahr, wo wir uns im dortigen Rathaus davon überzeugen konnten, dass Klimaneutralität mit den entsprechenden Schritten auch schon 2035 machbar ist.

Dabei erkennen wir durchaus viele ökologische Standards des LVR an, vor allem die Energiestandards bei Neubauten. Darauf kann man stolz sein und zügig aufbauen. Aber beispielsweise im Bereich der Mobilität oder beim Ausbau von Erneuerbaren Energien, da ist der LVR nicht sonderlich weit gekommen. Mobilitätsdezernat hin oder her. Da wünschen wir uns fortschrittlichere Ziele und vor allem mehr Tempo.

Nun kommen wir aber zu den erfreulichen Entwicklungen. Wir hatten von Beginn an in den diesjährigen Haushaltsberatungen dafür plädiert, dass der LVR seine Umlage nicht so stark erhöhen soll, wie vorgesehen. Und wir haben gefordert, dafür auch die Ausgleichsrücklage moderat einzusetzen. Diese wird, wenn der Haushalt 2023 planmäßig verläuft, noch 178 Millionen Euro umfassen. Wir wollen die Ausgleichsrücklage so einsetzen, dass sie über einige Jahre hinweg als Möglichkeit genutzt werden kann, die Umlage kommunalfreundlicher zu gestalten. Hier wissen wir die Mitgliedskommunen an unserer Seite, die dies in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Haushalt ebenfalls gefordert haben.

Die jetzt im Koalitionsantrag formulierte Absenkung des Verwaltungsvorschlags um 0,5 Prozentpunkte, in absoluten Zahlen etwa 116 Millionen Euro, ist gut und richtig. Davon sind 0,2 Prozentpunkte durch höhere Einnahmen möglich, 0,3 Prozentpunkte sollen durch die Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage und eine Minderausgabe bei der Eingliederungshilfe gedeckt werden.

Wobei klar ist: Die Globalkürzung bei der Eingliederungshilfe gleicht eher dem Prinzip Hoffnung. Denn wenn die Kosten für die Leistungen, auf die Menschen mit Behinderung einen Anspruch haben, steigen, dann muss der Griff in die Ausgleichsrücklage tiefer sein.

Schließlich wollen wir ja auch, dass die Umstellung auf das Bundesteilhabegesetz schneller gelingt und die Antragsbearbeitung zeitnäher erfolgt.

Jedenfalls ist der Weg der richtige und die Bewegung beim Umlagesatz ein positives Signal an unsere Kommunen.

Positiv bewerten wir ebenfalls den Umgang mit unseren Anträgen. Nachdem in den vergangenen Jahren unsere Anträge oft mit lapidaren oder gar keinen Begründungen abgelehnt wurden, hat bei den diesjährigen Beratungen eine ernsthafte und konstruktive Auseinandersetzung stattgefunden, sodass wir in einigen Punkten auch gleichlautende oder gemeinsame Anträge verabschieden konnten. Auch die von der Koalition vorgelegten Anträge finden wir durch die Bank alle gut und unterstützenswert.

Das hat uns in unserer Meinung bestärkt, dass unsere Beiträge und Anregungen in den Fachausschüssen manchmal nicht unmittelbar, aber zumindest mittelfristig und nachhaltig wirken. Genauso begrüßen wir die hoffentlich dauerhafte Rückkehr zur Vorlage eines einjährigen Haushalts. Denn nur so ist eine transparente und besser prognostizierbare Haushaltsberatung möglich. Zu welchen Verwicklungen und Ungenauigkeiten es bei Doppelhaushalten kommen kann, haben wir nicht nur beim Nachtragshaushalt 2023, sondern auch bei vielen anderen Doppelhaushalten erfahren.

Zusammengefasst: Trotz unserer Ablehnung des Stellenplans, den wir nach wie vor für das völlig falsche Signal an unsere Mitgliedskommunen halten, trotz des parallel zum Haushalt vorgelegten und aus unserer Sicht nachbesserungswürdigen Klimaschutzkonzepts, werden wir dem vorliegenden und politisch veränderten Entwurf für den Haushalt 2024 zustimmen. Wir begreifen dies auch als ein Statement dafür, dass wir in diesen schwierigen Zeiten, in denen unsere Demokratie vielfältigen Attacken und Angriffen ausgesetzt ist, eine Zusammenarbeit der demokratischen Fraktionen nicht nur für sinnvoll und notwendig ansehen, sondern als ein Gebot der Stunde.

Deshalb will ich an dieser Stelle nicht nur meiner Fraktion für die wie immer guten und solidarischen Beratungen sowie der Verwaltung mit der LVR-Direktorin Ulrike Lubek an der Spitze für die konstruktive Unterstützung danken. Ich möchte auch allen demokratischen Fraktionen Danke sagen für die fairen Haushaltsberatungen und für die gute Zusammenarbeit im vergangenen Jahr.

 Zum Abschluss noch ein ganz besonderer Dank: Liebe Renate Hötte, die heutige Haushaltsverabschiedung beim LVR ist die voraussichtlich letzte für Sie. Meine Fraktion hat Sie damals nicht nur ins Amt gewählt, sondern wir haben auch immer außerordentlich gerne und gut zusammengearbeitet. Sie waren uns immer eine willkommene Beraterin.

 Eigentlich würde ich Ihnen jetzt gerne die Ehrenmitgliedschaft in unserem AK Finanzen anbieten. Aber belassen wir es bei einem ganz herzlichen „Dankeschön“. Wir, aber nicht nur wir, werden Sie vermissen.

 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.