Sitzung der Kommission Europa des LVR am 28. /29.09. in Brüssel

Die Reise war geprägt durch intensiven Austausch mit verschiedenen Interessensvertretungen, die den LVR berühren. An der Reise nahmen Mandatsträger*innen der verschiedenen im LVR vertretenen Fraktionen und die Vertreter*innen der Verwaltung mit Europabezug teil.

Die erste Station war die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union. Deren Leiter, Herr Stein, begrüßte die Gruppe und gab einen Überblick über die aktuellen Schwerpunkte europäischen Arbeit aus kommunaler Sicht. Dazu gehören Sanktionen und Kosten in Verbindung mit Fonds und Transformation, wie dem Strukturwandel um die Kohleausstieg. Für die LVR-Delegation waren zudem die Themen „Kulturelles Erbe NRW“ und die Auswirkungen von Covid19 auf Bildung und Jugend interessant. Mit Frau Staat vom Ressort „Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung“ kamen wir in Austausch über das „Europäische Bauhaus“ und entsprechende Projekte in NRW. Zudem wurden die Vorgaben der EU für Gebäuderenovierung sowie die Bauproduktverordnung und das „Einheitliche digitale Zugangstor“ erläutert.

In der Landesvertretung durften wir dann auch die Sitzung der Kommission Europa abhalten, die sich auf die Gestaltung der „digitalen Zukunft Europas“ und die EU-Renovierungswelle als Kommunale Dimension des „europäischen Grünen Deals“ fokussierte.

Mit Herrn Strotmann von der EU-Kommission diskutierte die LVR-Delegation die Digitalisierungsthemen E-Government, Vielsprachigkeit, Interoperabilität („Zusammenarbeitsfähigkeit“) und Betrugsbekämpfung. Bei der Herausforderung der Einbindung unterschiedlicher Systeme solle ein gemeinsamer verpflichtender Gesetzesrahmen in Verbindung mit der Förderung der gegenseitigen Anerkennung helfen, um unter gesichertem Datenschutz Schnittstellenkompatibilität zu ermöglichen. Die Mitgliedsstaaten müssten jedoch rechtliche Interoperabilität gewährleisten. So könne man z.B. Verkehrsnetze oder lokal gemanagte Gesundheitssysteme miteinander verbinden. Diese Bündelungsmaßnahmen sollen der kommunalen Selbstverwaltung helfen. Auch Bürgerinitiativen und die deutsche Digitalisierungsstrategie wurden besprochen.

Im zweiten Teil der Sitzung besprachen wir mit Herr Moser von der Generaldirektion Energie der EU-Kommission die „Gebäude und Produkte“ als wichtigen Energiesektor, um die Klimaziele zu erreichen. Neben der Herausforderung des Abpufferns der Energiepreisschocks bei gleichzeitiger Erhaltung der Einsparanreize wurden hier energieintensive Geschäftsmodelle und die marginalen Energiepreise („Merit Order“), Rationierung und der Umgang mit Übergewinnen diskutiert. Im Gebäudebereich liegt der Fokus auf der Elektrifizierung und Speicher, sowie der Einführung intelligenter Heizungssysteme, die sich flexibel an Preisschwankungen anpassen können. Handwerkermangel und Lieferketten waren hierbei ebenfalls Thema.

Im Europäischen Parlament erhielten wir eine Führung von Herrn Heyer vom Besucherdienst, um im Anschluss mit rheinischen Mitgliedern des Europäischen Parlaments über dessen Rolle bei der EU-Gesetzgebung aus kommunaler Sicht zu diskutieren. Bei Herrn Berger (CDU) ging es dabei um Energiepreise und Außenpolitik, bei Frau Kammerevert (SPD) um den Europäischen Bildungsraum und gemeinsame Standards statt Kompetenzverschiebungen, sowie um Strukturfonds und die soziale Säule der EU. Daniel Freund (GRÜNE) legte den Fokus auf die Zukunft der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU. Das Einstimmigkeitsprinzip hemme die Handlungsfähigkeit und riskiere Einflussnahme von außen. Dabei gäbe es aber Faktoren, voranzukommen: Reformpakete, finanzielle Kompromissfindung und lautes Nachdenken über verstärkte Zusammenarbeit. Im LVR-Kontext wurde in der Runde auch über EU-Recht für Menschen mit Behinderung im Zusammenhang mit Fachkräftemangel gesprochen.

Beim Abendessen am Grand Place kam die Gruppe mit Claudia Marinetti von „Mental Health Europe“ ins Gespräch über den „Weg zu einem sozialeren Europa“.

Am Donnerstag waren wir zu Gast bei der Vertretung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens „Ostbelgien“. Dabei wurde auch die Auffrischung des Vertrags der Zusammenarbeit zwischen der „DG“ und dem LVR gefeiert. Herr Kreins, Leiter der DG-Vertretung, Frau Vomberg und Frau Reinartz klärten uns über die Regionale Interessenvertretung in Belgien und gegenüber der Europäischen Union im Belgischen Föderalismus auf. Dabei spielen Konsensfindung, Auslandsbeziehungen, Arbeitstreffen und Arbeitsprogramme eine große Rolle. Natürlich sind der LVR und NRW wichtige Partner der „DG“, deren „Markenname“ „Ostbelgien“ ist.

Anschließend ging es um die Netzwerkarbeit sozialpolitischer NGO. Herr Lichte, vom „European Social Network“ (ESN) stellte dieses als Netzwerk von Sozialbehörden, Kommunen etc. und Dienstleister vor, an dem der LVR indirekt über den Deutschen Verein e.V. beteiligt ist. Hier wurde großes Potential für Wissensaustausch und Best Practices ausgemacht. So organisiert das ESN Seminare, Hospitationen, Peer Learning Visits und erstellt Studien. Das ESN sieht sich dabei als Werkzeug, Dienstleister und Bindeglied zur Umsetzung sozialer Vorhaben. 

Nahtlos anknüpfend ging es um den EU-Beitrag zum Wiederaufbau in der Ukraine. Herr Ziegler, von der Generaldirektion für Nachbarschaft und Erweiterungsverhandlungen der EU-Kommission. Dabei wurde der Unterschied zwischen der lokalen Hilfe durch z.B. den LVR und der EU-Ebene und die jeweilige Wichtigkeit gemäß Subsidiaritätsprinzip deutlich. Wir lernten den Unterschied zwischen Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsländern, sowie das Prinzip „fördern und fordern“ im Zusammenhang mit Wiederaufbau und Kandidatenstatus. Betont wurde dabei, dass die Ukraine z.B. bei digitalen Dienstleistungen ein führendes Land ist und Geschwindigkeit der Bürokratie ein Qualitätsmerkmal.  

Am Nachmittag ging es in den Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR), dem politischen Organ der Städte und Gemeinden in Europa. Mit Herrn Wobben, dem Direktor für legislative Arbeit, diskutierten wir die Interessenvertretung supralokaler Gebietskörperschaften auf europäischer Ebene. Dabei kam zum Ausdruck, dass der AdR als beratender Ausschuss durch frühe Themensetzung und mit seinem Klagerecht Einfluss auf die anderen EU-Institutionen nehmen kann. Durch die lokale Verankerung der Mitglieder kommt es hier zu einem direkteren Austausch, der zur europäischen Öffentlichkeit vor Ort beiträgt. Gleichzeitig kann der AdR die Nutzererfahrung in der Anwendung des EU Rechts der Kommission widerspiegeln. Zukunftsthemen des AdR sind ein partizipatorischer Prozess für die regionale Ebene in Europa sowie Kriterien für effiziente Dezentralisierung, intergenerationale Solidarität und Kontinuität.

Nach zwei eng getakteten Tagen mit vielen intensiven Terminen, bei denen aber auch der persönliche Austausch über Fraktionsgrenzen hinweg nicht zu kurz kam, ging es dann durch den Brüsseler Stadtverkehr mit dem LVR-Bus auf die Autobahn zurück nach Deutz.

Malte Much (Volt Europa, Grüne Fraktion LVR)

Mit dabei waren Rolf Beu, Karin Schmitt-Promny, Alexander Tietz-Latza und Malte Much.