Liebe Freundinnen und Freunde,                                              

 der Landesjugendhilfeausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 29.3. unter anderem mit folgenden Themen:

 TOP 3. Bericht zur aktuellen Lage im Erinnerungsort Baranivka/Ukraine

Seit dem Jahr 2010 existiert im Rahmen des Projektes „Jugend gestaltet Zukunft – Internationale Jugendarbeit an Orten der Erinnerung in Europa“ eine Partnerschaft mit dem Erinnerungsort Baranivka, genauer gesagt zwischen dem Standort Neuss des Kolpingwerks und der Berufsschule No. 56 im nahe gelegenen Jaresky in der Region Poltava. Baranivka wurde 1941 von deutschen Truppen im Zuge einer Vergeltungsmaßnahme überfallen und vollständig zerstört; 14 Einwohner*innen wurden ermordet.

Frau Beate Hendges, beim Kolpingwerk Neuss zuständig für dieses Projekt, berichtete sehr authentisch von den Schwierigkeiten beim Aufbau der Zusammenarbeit und den emotionalen Momenten während der Austauschwochen. Die deutschen Jugendlichen sind jeweils zwei Wochen vor Ort, während die ukrainischen Jugendlichen beim Gegenbesuch eine Woche in Neuss sind.

Im Laufe der Jahre sind Freundschaften mit den ukrainischen Gastgeber*innen entstanden; zur Zeit wird beinahe täglich miteinander telefoniert.

Die Region Poltava ist bisher von Angriffen weitgehend verschont geblieben, viele Binnenflüchtlinge aus dem Raum Kiew und dem Süden des Landes suchen zurzeit hier Schutz.

Verwaltung und Politik zeigten sich einig darin, das Projekt auf alle Fälle in der ein oder anderen Form fortsetzen zu wollen, sobald dies wieder möglich ist.

In diesem Zusammenhang berichtete die Verwaltung auch aus ihrem Zuständigkeitsbereich bei der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine. Im Gegensatz zu 2015/2016 seien nur wenige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bislang in NRW angekommen.

Ein besonderes Phänomen ist die Evakuierung ganzer Einrichtungen (Kinderheime). Das Landesjugendamt wird sich auch um die Verteilung dieser Gruppen kümmern, wenn sie im Rheinland ankommen. Wichtig ist dabei wie bei allen Hilfsmaßnahmen, dass sie über die vorhandenen Strukturen der Jugendämter und Hilfsorganisationen erfolgen sollten. So wäre zum einen eine bessere Koordination möglich, zum anderen dient es aber auch dem Schutz der Flüchtlinge vor vereinzelten schwarzen Schafen unter potentiellen privaten Gastgebern.

 

TOP 4.1. Beschluss eines Positionspapiers zum Fachkräftemangel in der Kinder- und Jugendhilfe (Vorlage 15/866)

Im Februar tagte ein Facharbeitskreis des Landesjugendhilfeausschusses zum Thema Fachkräftemangel und diskutierte und ergänzte ein von der Verwaltung dazu erarbeitetes Positionspapier.

Spätestens das Fachkräftebarometer Frühe Bildung 2021 des Deutschen Jugendinstituts hat deutlich gemacht, dass in der Vorausberechnung bis zum Jahr 2030 in den westdeutschen Bundesländern ein enormer Fachkräftemangel herrschen wird (wir berichteten bereits in den letzten „Notizen“). In der westdeutschen Kindertagesbetreuung werden danach bis zu 252.000 Personen benötigt, um zum einen ein bedarfsdeckendes Angebot zu sichern und zum anderen personelle Ausstiege zu kompensieren.

Es nimmt angesichts dieser Zahlen nicht Wunder, dass es nicht den einen Königsweg geben kann, um die derzeitigen und kommenden Personalprobleme zu lösen. Stattdessen soll an den verschiedensten Stellschrauben gedreht werden, angefangen von einer Erhöhung der Ausbildungskapazitäten an Fachschulen und Hochschulen über vergütete praxisintegrierte Ausbildungen bzw. vergütetes duales Studium bis hin zur zielgruppenspezifischen Bewerbung der Tätigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen. Die komplette Aufstellung der ins Auge gefassten Maßnahmen ist dem Positionspapier zu entnehmen, das wir als Anlage zu diesen Notizen beigefügt haben.

Einig war sich der Facharbeitskreis in der Bewertung der dargestellten Maßnahmen insofern, als sie bei konsequenter Umsetzung einen erheblichen Beitrag zur Fachkräftegewinnung liefern würden, es aber zweifelhaft sei, ob dies schon ausreiche, um das benötigte Personal zu gewinnen.

Gerade deshalb muss es einen gesamtgesellschaftlichen Konsens über die Bedeutung der Kinder- und Jugendhilfe geben, der nicht nur finanzielle Aspekte umfasst, aber eben auch diese.

Das Positionspapier wurde einstimmig vom Ausschuss beschlossen.

Wir haben an dieser Stelle gefordert, dass die Positionen aus diesem Papier auch Eingang finden sollten in einen Koalitionsvertrag auf Landesebene nach der Wahl am 15. Mai.

Angesprochen auf weitere Aktivitäten der Verwaltung in diesem Bereich konnte der LVR Kinder- und Jugenddezernent Lorenz Bahr berichten, dass am Tag dieser Sitzung bereits ein Gespräch mit dem Städtetag zu diesem Thema stattfinden werde sowie ein Austausch mit Hochschulen.

 

TOP 4.2. Beschluss eines Positionspapiers zum Rechtsanspruch auf Förderung in der OGS (Vorlage 15/845)

Ein weiterer Facharbeitskreis beschäftigte sich im Februar mit der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Förderung im offenen Ganztag. Dort bestand ein breiter Konsens, dass ein Ausführungsgesetz zur Umsetzung dieses Rechtsanspruchs verabschiedet werden müsse. Dabei sollen im Sinne des Kinderrechts und Kinderschutzes einheitliche Mindeststandards in verschiedenen Bereichen verankert werden. Genannt werden dabei unter anderem verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit, die gesellschaftliche Teilhabe aller Kinder/Inklusion, Schutzkonzepte sowie Verfahren der Selbstvertretung, Beteiligung und Beschwerde der Kinder. Auch hier ist die komplette Auflistung dem beiliegenden Positionspapier zu entnehmen.

Insgesamt müssen die Qualitätsstandards in erster Linie von den Bedürfnissen der Kinder ausgehen und durch Aufsicht gesichert werden. Insbesondere gilt dies für den Kinderschutz (Prävention und Intervention).

Wichtig war dem Facharbeitskreis auch, dass die Finanzierung landeseinheitlich gestaltet sein muss, damit annähernd gleiche Bedingungen für alle Kinder im Land ermöglicht werden.

Auch hier wird die Kinder- und Jugendhilfe wieder mit dem Fachkräftemangel konfrontiert. Wenn der mit dem Rechtsanspruch verbundene quantitative wie qualitative Ausbau der OGS denn tatsächlich realisiert werden soll, ist von einem sehr großen Bedarf an – zusätzlichem – qualifizierten Personal auszugehen.

Nach einer Änderung der Überschrift des Positionspapiers konnte auch dieses einstimmig verabschiedet werden.

 

TOP 7. §128 SGB IX in der praktischen Umsetzung: Prüfansatz und Prüfinstrumente der LVR-Dezernate Soziales und Kinder, Jugend und Familien – Entwicklungsideen, Praxiserfahrungen

Mit Einführung des Bundesteilhabegesetzes wird dem Träger der Eingliederungshilfe in §128 SGB IX ein gesetzliches Prüfrecht aus besonderem Anlass eingeräumt. Das Land NRW wiederum hat in seinem Ausführungsgesetz dieses Prüfrecht erweitert um die Möglichkeit anlassunabhängiger Prüfungen.

Mittlerweile wurden landeseinheitliche Prüfkriterien erarbeitet, im Dezernat Kinder, Jugend und Familie Prüfverfahren entwickelt, Prüfteams gebildet und die ersten Prüfungen durchgeführt, von denen die Verwaltung in dieser Sitzung berichtete.

Bislang konnten 19 Prüfungen durchgeführt werden, 16 im Bereich der solitären Frühförderung und drei bei Kitas.

Insgesamt wurden nur geringfügige oder temporäre Mängel festgestellt, Gründe für eine Vergütungskürzung wurden nicht gefunden. Mit den Einrichtungen wurden Vereinbarungen getroffen, bis wann die Mängel abgestellt sein sollen.

Wir haben den vom Landschaftsverband gewählten beratungsorientierten, dialogischen Ansatz der Prüfung in der Sitzung ausdrücklich gelobt.

 

TOP 8. Aktuelle Entwicklungen in der frühkindlichen Bildung

Frau Clauß vom Fachbereich Kinder und Familie informierte unter diesem Tagesordnungspunkt über:

  • Praxisintegrierte Ausbildung zur*zum Kinderpfleger*in; Ausweitung der Ausbildungsstandorte und Förderung der Arbeitgeberkosten
  • Förderung von Fortbildungsmaßnahmen für pädagogische Kräfte des Elementarbereichs
  • Sachstand: Weiterentwicklung der Raummatrix

Ihr Vortrag ist diesen „Notizen“ beigefügt. Besonders hinweisen möchten wir an dieser Stelle auf die Förderung von Fortbildungsmaßnahmen. Hier sind die Mittel, die das Land NRW für diese Zwecke ab 2022 zur Verfügung stellt, von rund drei Millionen Euro auf jetzt rund 6,2 Millionen Euro mehr als verdoppelt worden. Zudem sind die Förderschwerpunkte – auch mit Unterstützung des Landesjugendamtes – erweitert worden. Zwei Gründe mehr also, vor Ort für die Teilnahme an den Fortbildungen zu werben.

 

TOP 10. Bericht aus der Verwaltung

Die Landesjugendämter haben am 10. März als Sachverständige an einer Anhörung im Landtag zum Landeskinderschutzgesetz NRW und der damit verbundenen Änderung des Kinderbildungsgesetzes teilgenommen. In der schriftlichen Stellungnahme wird der Gesetzesentwurf grundsätzlich begrüßt, da er zentrale Entwicklungsbedarfe zum Schutz von Kindern und Jugendlichen aufgreife und dringend erforderlichen Voraussetzungen schaffe, damit die Akteure auf den verschiedenen Handlungsfeldern zum Wohle der Kinder und Jugendlichen zusammenarbeiten.

Kritik wird allerdings geübt an denjenigen Teilen des Gesetzentwurfs, die geeignet sind, Doppelstrukturen zu begründen. So wird die Einrichtung einer zentralen Landesberatungsstelle bei der Qualitätsentwicklung oder konkreten Kindeswohlgefährdung als nicht zielführend erachtet, da zu befürchten steht, dass dies landesseitig nicht in der gebotenen Qualität für die 186 Jugendämter in NRW zu garantieren sei und entsprechende qualifizierte Beratung bereits durch die Landesjugendämter angeboten werden würde.

Ob die Anregungen von den Landtagsfraktionen im weiteren Verfahren berücksichtigt werden, ist noch offen: Das Gesetz soll jedenfalls im April verabschiedet werden.

 

Unsere Kontaktdaten für An- oder Abmeldungen der Notizen, Fragen und Anregungen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Fraktion in der Landschaftsversammlung Rheinland, Landeshaus, Kennedyufer 2, 50679 Köln

Tel: 0221-8093364; Fax: 0221-8092560, gruene-fraktion@lvr.de, www.gruene.lvr.de